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Sensibilisieren - und Betroffene stärken

SPORT knows no GENDER ?

Neue Fortbildungsreihe der Sportjugend Hessen (SJH) und der Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen (lsb h) widmet sich sexueller und geschlechtlicher Vielfalt

Kann ich nach der Geschlechtsangleichung weiter Fußball im Team spielen? Fühle ich mich wohl dabei, zu der Vereinsweihnachtsfeier meine/n gleichgeschlechtliche/n Partner/in mitzubringen? Was tun, wenn ich beim Turnwettbewerb knappe Hosen anziehen muss, die nicht alle intimen Stellen meines Körpers bedecken und ich mich dabei unwohl fühle? Die Bedürfnisse sind höchst unterschiedlich und diversere Fragen rücken in den Fokus - in Zeiten, in denen im Sport Dusch- und Umkleideräume für nur zwei Geschlechter immer noch Normalität sind und sexistische Sprache auch in den Sportstätten an der Tagesordnung ist. Betroffene sind teils verunsichert - aber auch die, die auf ihre Bedürfnisse reagieren sollen.

Was können wir also tun? Diese wichtige Fragestellung hat die Bildungsakademie des Landessportbundes Hessen (lsb h) gemeinsam mit der Sportjugend Hessen (SJH) in diesem Frühjahr in eine Veranstaltungsreihe gegossen, die sehr großen Zuspruch fand. Zu der eigens konzipierten Reihe "Geschlecht und Gleichberechtigung im Sport" gehörten drei digitale Fortbildungen: "Sexuelle Vielfalt im Sport", Geschlechtliche Vielfalt im Sport" und "Sexismus im Sport". Die Teilnehmenden kamen vor allem aus dem Sport, aber auch aus anderen Bereichen etwa von der Polizei, aus der Wissenschaft oder anderen Vereinen.

Unterschiedliche Probleme, ähnliche Lösungen

Mit drei aufeinanderfolgenden Online-Veranstaltungen mit einer Länge von je drei Stunden konnte für das Thema sensibilisiert, Begrifflichkeiten geklärt werden und praktische Lösungsansätze gefunden werden. Sehr wichtig war es dem Fortbildungsteam, dass die Teilnehmenden sich mit all ihren Fragen, Erfahrungen und Unsicherheiten in einem fehlertoleranten und geschützten Raum treffen konnten. "Es geht schon damit los, dass die zahlreichen Begrifflichkeiten durcheinandergeraten und nicht klar ist, wie sich Diskriminierung aufgrund von sexueller und geschlechtlicher Identität unterscheidet", erklärt Alex Faulhaber, zuständige Referentin bei der Sportjugend Hessen. "Die drei Fortbildungen konnten die Dimensionen des Themas aufzeigen und die Unterschiede und Gemeinsamkeiten sichtbar machen. Aufrichtigkeit von allen war gefragt und der Wunsch, etwas zu verändern. Es ging nicht darum, zu bewerten, wie gut oder schlecht der eigene Verein schon dasteht." Obwohl die Situation der Betroffenen sehr unterschiedlich sein kann, ähneln sich die Möglichkeiten, etwas zu verbessern: mit offener Kommunikation, Fehlertoleranz, Wertschätzung, Empathie und einer klaren Haltung von Sportvereinen gegen Diskriminierung, Gewalt und Abwertung im Verein und in der Gesellschaft.

Externes Expertenteam vermittelt praxisnah

Inhaltlich wurden die Fortbildungen von jeweils zwei externen Referent/innen betreut. Vanessa Lamm und Markus Hoppe von der queeren Vernetzung Hamburg beantworteten im Rahmen der Fortbildung "Sexuelle Vielfalt im Sport" zahlreiche Fragen und machten die Thematik mit Beispielen aus ihrer praktischen Arbeit mit Sportvereinen anschaulich. Die queere Vernetzung Hamburg ist eine Fachstelle für Akzeptanzarbeit für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und arbeitet eng mit Hamburger Vereinen zu diesen Themen zusammen. Die Beiden ließen die Teilnehmenden in Gruppenarbeit Ideen und Handlungsmöglichkeiten entwickeln. Viele Anregungen, wie beispielsweise zur Sensibilisierung von Übungsleiter/innen und Vereinsverantwortlichen rund um Sprache, zu Verhaltensweisen, Coming-out-Situationen etc. von Sportler/innen und zur Stärkung des Miteinanders im Verein, gab es auch.

Nick Heinz und Vera Ohlendorf von Trans-Inter-Aktiv Mitteldeutschland (TIAM) stellten im Rahmen der Fortbildung zu "Geschlechtliche Identität im Sport" anschaulich dar, in welchen Bereichen Menschen diskriminiert werden, die nicht cis-geschlechtlich sind. Cis-geschlechtlich bedeutet, dass das bei der Geburt zugewiesene und das tatsächliche (erlebte) Geschlecht übereinstimmen. TIAM setzt sich für die Belange von trans*, inter* und nicht-binären Menschen in allen Lebensbereichen ein. Während der Fortbildung belegten sie anhand von Studien und Forschungsergebnissen, wie wichtig Sport für Betroffene sein kann. Demnach kann Sport eindeutig die positive Körperwahrnehmung stärken und so zum psychischen und sozialen Wohlbefinden beitragen.

Diskriminierung abzubauen, um allen Menschen die Teilnahme am Sport zu ermöglichen, sei deshalb von zentraler Bedeutung, so die Expert/innen. Nicht nur die Spitzensportverbände seien hier gefragt, beispielsweise ihre Startbedingungen entsprechend zu gestalten. Auch in jedem Sportverein können aktiv etwas getan werden, um zu vermeiden, dass Menschen ausgeschlossen werden. Die Teilnehmenden sammelten zahlreiche Ideen zur Aufklärung von Trainer/innen, zur Sensibilisierung im eigenen Verein oder zu Satzungsänderungen und Forderungen an die Verbände.

Marie Möller und Lea Adam von InFrau e.V. stellten im Rahmen der Fortbildung "Sexismus im Sport" ein inklusives und vielfältiges Verständnis von Sexismus und die daraus resultierenden Probleme im Sport vor. Ungleiche Bezahlung im Spitzensport, sexualisierte Gewalt im Training, unterschiedliche Kleidervorschriften oder männliche Dominanz in Spitzenpositionen im organisierten Sport seien bekannte Phänomene, kritisieren die Expertinnen. Doch jede/r Einzelne habe Möglichkeiten, die Situation für Betroffene zu verbessern. Gewaltvolle Sprache, Beleidigungen und Abwertung könne in Vereinen mit klarere Kante, also mit einer Haltung begegnet werden, die deutlich mache, dass Diskriminierung in der Gemeinschaft nicht geduldet werde. InFrau e.V. ist ein interkulturelles Beratungs- und Bildungszentrum für Frauen, Mädchen, und Seniorinnen und stelle zusätzlich ein Projekt aus ihrer Praxis vor.

Queere Themen sollen vorangetrieben werden

Die Rückmeldungen der Teilnehmenden waren durchweg positiv. Viele nahmen an allen drei Fortbildungen teil, obwohl die Veranstaltungen einzeln gebucht werden konnten. Bildungsakademie und Sportjugend fühlen sich darin bestärkt, die Fortbildungsreihe zu Geschlecht und Gleichberechtigung im Sport zukünftig regelmäßig anzubieten. Darüber hinaus gehe es auch um die Vernetzung von queeren Sportvereinen und Expert/innen in Sportverbänden und Communities. Ebenso soll die Weiterentwicklung des Themas innerhalb des Verbands vorangetrieben werden. 

Die Sportjugend Hessen beteiligt sich außerdem an der Organisation der BuNT-Bundesnetzwerktagung des queeren Sports". Dieses Fortbildungs- und Vernetzungsprogramm findet vom 31. Oktober bis 6. November 2022 digital, hybrid und in Präsenz in Köln statt. Die Teilnahme ist kostenlos.

 

Beitrag von Annamaria Peter / Alexandra Faulhaben / Sabine Mischnat in Sport in Hessen, Ausgabe 18, vom 10.09.2022

Kontakt

Sportkreis Wiesbaden e.V.
Hagenauer Str. 47
65203 Wiesbaden

 

Tel: (0611) 74944